ESTA und „Straftaten gegen die Sittlichkeit“, d. h. „Crimes Involving Moral Turpitude“

ESTA und „Straftaten gegen die Sittlichkeit“, d. h. „Crimes Involving Moral Turpitude

25.02.2013

Als Deutscher kann man, wie die Staatsangehörigen vieler anderer Nationen, visumsfrei in die USA reisen, sofern man nicht länger als 90 Tage bleiben und nicht arbeiten möchte. Seit dem 12. Januar 2009 allerdings muss man vorher eine elektronische Reisegenehmigung einholen („ESTA“). Nur am Rande sei angemerkt, dass es sich dabei rechtstechnisch nicht um ein Visum, auch kein „Touristenvisum“ handelt.

Die elektronische Reisegenehmigung wird in der Regel allerdings nur erteilt, wenn man Fragen nach Krankheiten und Vorstrafen etc. mit „nein“ beantwortet hat.

Eine dieser Fragen lautet im Englischen: “Have you ever been arrested or convicted for an offense or crime involving moral turpitude or a violation related to a controlled substance; or have been arrested or convicted for two or more offenses for which the aggregate sentence to confinement was five years or more; or have been a controlled substance trafficker; or are you seeking entry to engage in criminal or immoral activities?” (s. hier)

Die offizielle deutsche Fassung lautet: „Wurden Sie jemals auf Grund eines Deliktes oder einer Straftat gegen die Sittlichkeit oder aufgrund eines Vergehens im Zusammenhang mit Drogen verhaftet oder verurteilt, oder wurden Sie aufgrund zweier oder mehrerer Delikte oder Straftaten, für die das Strafmaß zusammengenommen fünf Jahre oder mehr betrug, verurteilt, oder haben Sie jemals Drogen in Umlauf gebracht, oder beabsichtigen Sie, zum Zweck krimineller oder sittenwidriger Handlungen einzureisen?“ (s. hier)

Wer vorbestraft ist und die englische Fassung liest, fragt sich zu Recht, wie er diese Frage beantworten soll, konkret, was es mit „moral turpitude“ wohl auf sich hat. Zieht er die deutsche Fassung zu Rate, scheint der Fall klar: Aus dem deutschen Strafgesetzbuch ist der Begriff der „Sittlichkeit“ heute zwar getilgt. Bis zum Jahre 1973 enthielt es allerdings einen Abschnitt „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“, in dem sich vorwiegend Delikte fanden, die wir heute als „Sexualdelikte“ bezeichnen. Auch der allgemeine Sprachgebrauch heutzutage dürfte mit „Sittlichkeitsvergehen“ oder „Sittlichkeitsverbrechen“ solcherlei Delikte assoziieren.

In der Tat dürften Sexualdelikte in aller Regel „Crimes Involving Moral Turpitude“ sein. Zu diesen zählen aber noch weit mehr Straftaten. Auch Betrug (auch „Sozialhilfebetrug“), einfacher Ladendiebstahl oder, soweit erschwerende Momente hinzukommen, Trunkenheit im Verkehr können „Straftaten gegen die Sittlichkeit“ im oben genannten Sinne sein. Gleiches gilt für Bestechungs- und Fälschungsdelikte.

Es ist den US-amerikanischen Straftatbeständen aber nicht ohne weiteres anzusehen, ob sie „Straftaten gegen die Sittlichkeit“ beschreiben. So enthalten weder der U.S. Penal Code (18. Buch des United States Code) noch z. B. der California Penal Code einen Abschnitt „Crimes Involving Moral Turpitude“.

Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, die zum Begriff „Moral Turpitude“ ergangene Rechtsprechung auch nur zu referieren. Auch mehr oder weniger allgemeingültige Definitionen wie sie das Board of Immigration Appeal aufgestellt hat – z. B. 1994 in Matter of Franklin: „Moral turpitude refers generally to conduct which is inherently base, vile, or depraved, and contrary to the accepted rules of morality and the duties owed between persons or to society in general. […] Moral turpitude has been defined as an act which is per se morally reprehensible and intrinsically wrong, or malum in se, so it is the nature of the act itself and not the statutory prohibition of it which renders a crime one of moral turpitude.“ – helfen ihm Einzelfall nicht immer weiter.

Im Zweifel ist dem Antragsteller schlicht zu raten, ein B-2-Besuchervisum zu beantragen, entsprechende Angaben zu machen und den Sachverhalt vom Konsulatsbeamten – der den Fall evtl. intern, z. B. an das U.S. Department of Homeland Security, weiterleitet – prüfen zu lassen – und die damit verbundenen Konsequenzen auf sich zu nehmen.

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